Sonntag, 26. September 2010

Heidentum und Paranoia

Tach, Leude!

Da heut das Herbstblot für mich im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fiel, nutze ich mal die Gunst der Stunde, um mit euch ein wenig zu diskutieren.

Ich führe mal meine Reihe "Heidentum und..." weiter, da ich finde, da gibt es so einige Baustellen.

Heute möchte ich mit euch über Heidentum und Paranoia reden.

Mir ist in letzter Zeit aufgefallen, dass viele Heiden immer noch der Meinung sind, dass wir von unterschiedlichen mehr oder weniger offensichtlichen Institutionen verfolgt werden, die nur auf "unsere" Auslöschung oder Assimilierung hinarbeiten.

Nein, es sind nicht die Borg *lol*

Also, Feind Nummer eins sind natürlich die Buchreligionen, allen voran die bösen Christen. Die haben uns (wer auch immer "uns" ist)ja schon damals mit Feuer und Schwert missioniert. Ja, das stimmt, aber nicht nur. Und das muss man auch ganz offen sagen. Das Christentum hatte Ideen, die einfach für die damalige Zeit unüblich waren und die Leute angesprochen haben. Viele sind sicher auch freiwillig übergetreten. Das soll nicht heißen, dass ich die Christianisierung gut heiße, aber Leute, die freiwillig konvertieren, haben ihre Berechtigung. Punkt. Und ja, die Kirche (und ich meine hier die Kirche als Organisation) hatte und hat viele Leichen im Keller. Sicher wäre Jesus auch entsetzt, wenn er die Richtung gesehen hätte, die sein Club eingeschlagen hat. Keine Frage.

Aber ich glaube persönlich, dass die Kirche genug eigene Probleme hat, und dass das Grüppchen Heiden für sie sicherlich eines der wenigsten Probleme ist. Klar, wir haben noch Baustellen hier. Sicher, es läuft nicht alles rund. Aber ich bin der Meinung, wenn etwas stört, sollte man es anpacken und nicht groß rumsabbeln.

So, Feindbild Nummer zwei: die Muslime: huuuu! Spätestens seit 9/11 wissen wir ja alle, wie gefährlich diese tickenden Zeitbomben sind! Und sie kommen, um uns alle zu bekehren - und umzubringen - oder gar beides! Steht schon im Koran und es sind ja sowieso alle gleich! Überhaupt, all diese Wüstenreligionen. Das ist doch völlig artfremd! (ich hoffe, jedem fällt hier die Ironie auf)

Also, liebe Leute. Wem noch nicht aufgefallen sein sollte, wie unterschiedlich der Islam mit all seinen Auslegungen und Rechtsschulen ist, der tut mir leid. Ja, ich muss aus Erfahrung sagen, die Toleranz Polyhteisten gegenüber ist leider manchmal wirklich nicht groß. Gut. Das finde ich auch schade. Aber das heißt ja a) nicht, dass wir es ihnen nun gleichtun müssen und b) es gibt genug tolerante und liebe Muslime und denen gegenüber steht es uns einfach an, Respekt vor deren Religion zu zeigen. Bei Christen sehe ich es übrigens ähnlich.

Klar, ich hab mich angesichts mancher Äußerungen auch schon tierisch geflucht und bei manchen Koran- und Bibelstellen kräuseln sich mir auch die Nägel. ABER: die Auslegung ist immer noch Sache jedes Einzelnen. Jeder interpretiert eine Stelle anders. Und ich habe oft das Gefühl, die Stimmen, die sich für friedliche Religionsausübung aussprechen werden oft überhört, während dann jeder Pups eines Radikalen dann sofort freudestrahlend angenommen wird. Man wusste es ja schon lange! Ha!

Oft kriegt man dann Stilblüten zu lesen wie "Jaaa, die Christianisierung hat unserem germanischen Volk voll viel Unheil gebracht!" Okay, den Hinweis, dass es ein germanisches Volk nie gab und dass Deutschland erst *nach* der Christianisierung entstand überlesen wir natürlich geflissentlich.

Ich hab das leise Gefühl, manche wollen sich einfach verfolgt fühlen.

OH, und das neueste sind übrigens die Freimaurer. Die sind aber bekanntlich schuld an allem. Also ich muss ganz ehrlich sein, ich weiß nicht viel darüber. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie a) an allem schuld sind und b) dann auch noch die Weltherrschaft wollen. Aber das ist anscheinend ein richtiger Hit bei manchen Leuten. Ich halte das Internet für eine tolle Sache, aber oft macht es ohnehin schon wirre Leute noch wirrer. Als Beweis müssen dann tolle Youtube Videos herhalten, so richtig schön dramatisch, damit auch alle Angst vor der unbekannten Macht bekommen. Wer nicht gleich mit schreiend im Kreis rennt, ist natürlich blind - wie immer.

Ach Leute ey. Man kann sich das Leben auch unnötig schwer machen. Was spricht dagegen, einfach sein Leben zu führen, ohne ständig irgendwo Bedrohungen zu sehen? Ich mein, das hat ja nix mit fehlendem kritischen Blick oder mangelndem Engagement zu tun. Genausowenig was mit "die andere Wange hinhalten", das wurde mir nämlich auch schon vorgeworfen.

Nö. Ich habe einfach keine Lust, mich da verrückt machen zu lassen. Mal angenommen, es gäbe wirklich eine Gefahr, was bringt es denn, wie ein aufgescheuchtes Huhn in der Gegend rumzurennen und rumzugackern? Davon wird es auch nicht besser. Ich ziehe es vor, mich nicht verrückt machen zu lassen und warte, bis sich diese ominöse Gefahr zeigt oder auch nicht - wovon ich eigentlich eher ausgehe.

Natürlich möchte ich euch auch heut wieder einen passenden Edda-Spruch mit auf den Weg geben:

"Unweiser Mann durchwacht die Nächte
Und sorgt um alle Sachen;
Matt nur ist er, wenn der Morgen kommt,
Der Jammer wahrt wie er war."

Liebe Grüße an all meine lieben Leser - und eine Runde Alu-Hüte an alle Paranoiker :D

LG, Urs