Dienstag, 31. August 2010

Heidentum und Ellenbogengesellschaft

Lang lang ists her... ja, ich weiß. Momentan ist mein Kopf so voll mit allem möglichen, dass ich kaum mehr zum Bloggen komme.

Heute juckts mir aus aktuellem Anlass allerdings wieder in den Fingern. Thema *auf die Überschrift deutet* Heiden und (Ellenbogen-)Gesellschaft.

Wer hats denn heutzutage schon leicht? Wer hatte es früher leicht? Oder besser: wann ist es überhaupt mal leicht gewesen?

Wenn man manchen Leuten glauben möchte, war das Leben "damals" (wann auch immer das gewesen sein soll) voll Licht, Liebe und ritterlichen Tugenden. Man turnte fröhlich durchs erfüllte Leben, liebte die Natur und manchmal auch seinen Nächsten. Es herrschten weise Frauen, die stets liebevoll gerecht und nie, ich betone NIE! zickig waren, stritten oder gar Krieg führten. Die große Göttin schaute wohlwollend zu - und sagte ich schon, wie lieb sich alle hatten? Ja, so oder so ähnlich muss es wohl gewesen sein.

Und jetzt stellt euch mal vor wie es ist, wenn ein Heide, der mit seinem Kopf fest in dieser Welt verwurzelt ist (ich tippe mal auf karmisches Problem oder so), in die bitterböse, kalte Welt des Hier und Jetzt geschubst wird.

Ich mein, man ist ja als Heide sowieso quasi schon prädestiniert für Unterdrückung durch andere. War schon immer so! Am besten man zeigt der Welt die geballte Macht seines Protestes, indem man aus Prinzip schon mit einer Flappe auf die Straße geht. Seht her! Ich bin ein Heide und werde unterdrückt! Ein Statement!
Ebenso hilfreich ist es, oft und viel über die Ungerechtigkeit der heutigen Welt zu schwadronieren. Ideen, Rat und Lebenshilfe überhört man am besten großzügig,denn das sind eh nur Versuche, vom Elend abzulenken. Man steuere dem entgegen, indem man noch lauter und penetranter rhabarbert.

Wenn man dann ausgelacht wird oder jemand einen gar als Jammerlappen tituliert, dann ist das DIE Bestätigung. Keiner akzeptiert einen. Und wir wussten doch sowieso schon lange, dass die Menschen heutzutage alle gleich sind. Intolerant. Grausam. Bildleser. Flatratesäufer. DSDS-Gucker. Strohhalmkronenträger. Kurz: das personifizierte Böse. Als ohnehin schon gramgebeutelter Heide ist es dann doch das Beste, wenn man sich dieser bösen Gesellschaft von vorneherein entsagt!

Aber mal Spaß beiseite, lieber Leser. Ist das wirklich so?

Ich persönlich empfinde das ganz anders. Ich persönlich fühle mich als bekennender Heide keineswegs unterdrückt. Generell fühlt sich doch eigentlich jede religiöse Gruppierung irgendwie benachteiligt. Ist das was Neues? Nö, oder? Klar, manchmal lachen die Leute. Aber das ist dann doch deren Problem und nicht meines.

Dazu habe ich auch die Erfahrung gemacht, dass wie es in den Wald reinschallt, es auch wieder rauskommt (jaja, ich weiß, 5 Euro ins Phrasenschwein ^^). Wenn ich den Leuten nett und respektvoll gegenübertrete und ganz natürlich mit meiner Religion umgehe, dann sind die meisten auch nett und offen mir gegenüber. Wenn nicht, ja meine Güte. Ich muss auch nicht jeden mögen.

Das Selbe gilt auch für die ach so pöööhse Gesellschaft. Ich steh morgens zwar zerknittert, aber fröhlich auf und sag der Welt jeden Tag aufs Neue: HEY, hier bin ich! Klar, manchmal geht einem die Welt aufn Senkel. Wenn der Chef meckert, oder die Mama, der Hund in die Wohnung macht oder man sich ein Bein bricht. Aber im Großen und Ganzen geht es uns doch echt gut und wir können wirklich froh darüber sein. Man sollte sich stets bewusst sein, dass es Menschen gibt, die es nicht so gut haben und dankbar sein für das, was man hat. Wer was übrig hat, soll auch ruhig was abgeben.

Ich mein, "früher" war auch nicht alles eitel Sonnenschein. Wisst ihr, wieviele Eichen man für ein einziges Wikinger-Langschiff brauchte? Ich habe mal sagen hören, 80. Oder wisst ihr, warum die Lüneburger Heide heutzutage eine Heide ist? Genau, durch Rodung, um an die Bodenschätze zu kommen. Soviel zur damaligen Naturverbundenheit.

Ich bin froh, heutzutage zu leben. Früher war auch nicht alles besser. Ich bin froh, dass meine Kinder eine mehr als gute Chance haben, das Erwachsenenalter zu erreichen. Wenn mal eins krank wird, ist der Kinderarzt um die Ecke. Ich selbst kann es mir auch leisten, krank zu werden - Krankenversicherung sei Dank. Wenn es mal regnet, muss ich nicht fürchten, im nächsten Winter nix zu essen zu haben. Nicht nur das, ich habe es auch warm in meinen vier Wänden. Ich habe geregelte Arbeitszeiten mit Pausen. Oh, überhaupt kann ich arbeiten, was ich möchte. Nach dem Feierabend hab ich Zeit, mit meinen Kindern zu spielen und muss weder Brot backen noch spinnen noch schnitzen. Wenn die Zeiten weniger gut sind und ich keine Arbeit habe, ist trotzdem mein Lebensunterhalt gesichert - ach, das sind übrigens teilweise Errungenschaften der christlichen Wertevorstellung, liebe Christenhasser.

Die Leute damals waren auch nicht flauschiger und kumpelhafter. Was meint ihr, warum viele Norweger damals nach Island übersiedelten? Oder warum teilweise ganze Völkerwanderungen stattfanden? Nein, bestimmt nicht, weil alle sich furchtbar lieb hatten.

Frauen sind im Übrigen auch nicht besser oder schlechter für Führungsaufgaben geeignet als Männer. Jeder soll das tun, was seinen Neigungen entspricht.

Wenn ich solche Vorurteile wie oben, gepaart mit übermäßigem Gejammer höre, lieber Leser, dann wird mir dezent schlecht. Wir alle, ganz unabhängig davon, ob man nun Heide, Christ, Moslem oder sonstwat ist, sollten versuchen, die Welt besser zu machen. Und sei es erstmal nur unsere eigene kleine Welt. Jammern verschwendet nur unnötig Energie. Im Übrigen widerspricht es sehr den Werten, für die ich eintrete: Selbstverantortung, Disziplin, Stärke und dergleichen.

Wisster, ich hatte es im Leben auch nicht immer leicht. Genauergenommen hat das kaum einer. Ich freu mich für jeden, der sagt: "Scheiß die Wand an! Ich bin hier, das ist gut. Lass es uns angehen!"

An alle Jammerlappen überreiche ich hiermit feierlich ne Packung Taschentücher.

Allen anderen möchte ich noch dieses kleine Edda-Zitat mit auf den Weg geben:

"Der milde, mutige Mann ist am glücklichsten,
Den selten Sorge beschleicht;
Doch der Verzagte zittert vor allem
Und kargt verkümmernd mit Gaben"

Hav. 57

Einen schönen Abend euch allen! Und natürlich seid ihr herzlich aufgefordert, eure Meinung kundzutun :-)

LG, Urs