Hallo, liebe Leser!
Der Eine oder Andere, der sich unter Heiden, Reenactors, Rollenspielern oder ähnlich verrückten Leuten bewegt, wird es sicher schon mal mitbekommen haben: einige Exemplare dieser eben genannten Spezies scheinen es nicht wirklich begriffen zu haben, dass wir im Jahre 2009 leben - oder wollen es einfach nicht. Sie sprechen konsequent so, wie man vor 1000 Jahren oder früher gesprochen hat - oder viel mehr das, was sie dafür halten. Manchmal ist es einfach zum Davonlaufen.
Ich gebe zu, manchmal bin ich etwas phantasielos: Ich hab schon auf dem Mittelaltermarkt Probleme mit diesem "Marktsprech". Ich möchte keine "gar wundersamen Kräutelein für der Silberlinge drei" - nein, ich möchte meine Teemischung und dafür bekommt ihr 3 Euros. So einfach ist das. Auch beim Rollenspiel war ich oft der Spielverderber, weil ich mich an diese merkwürdigen Ausdrucksweisen einfach nicht gewöhnen konnte. Warum ne umständliche Grußformel, wenn ein schlichtes "Tach" genauso ausreicht? Ähm ja, wie gesagt, das mag man meinem schlichten Gemüt zuschreiben - es ist einfach nicht meine Welt. Im Grunde ist es auch okay, solange es den Leuten Spaß macht und sie zwischen Spiel und Realität unterscheiden können.
Manche können das leider nicht, das fällt mir gerade in der Heidenszene auf. Die Leute reden in normalen Gesprächen teilweise dermaßen schwülstig daher, dass ich manchmal arge Probleme habe, diese Leute ernst zu nehmen. Aber warum? Realitätsflucht? Oder ist man dadurch authentischer oder gar heidnischer? Will man damit zeigen, wie nah man den alten Werten und seinen hochwerten Ahnen ist? Ich bezweifel wirklich stark, dass man damals bei jeder sich bietenden Gelegenheit "Bei Odins Bart!" oder "Bei Thor" gesagt oder in ähnlicher Manier weihevoll vor sich hinschwadroniert hat.
Ich mag schöne alte Segenssprüche und ähnliches, aber manchmal habe ich echt das Gefühl, mein Gegenüber benutzt einen heidnischen Geschwurbel-Generator. Sollte es diesen noch nicht geben, müsste man einen solchen glatt erfinden - als Leckerli für unsere sentimentalen heidnischen Mitmenschen.
Auf Knopfdruck bekommt man einen bombastischen Satzwust, der bestimmt jedem Mitheiden die Tränen in die Augen treibt (aus Verzückung oder Verzweiflung sei mal dahingestellt). Wahlweise erhältlich mit den Ahnen, irgendwelchen Schwertern, Blut, Odin, Thor (gern auch seinem Hammer) oder Tyr, hochheiligem Zorn, den Nornen (oder deren Fäden *hüstel*), dem Schicksal, Walhall und ähnlichen Größen, malerisch gepaart mit oh!s, ah!s, ha!s und diversen Konjunktiven. Dies wahlweise als Schwur, Drohung oder einfach als fröhliche Bemerkung mittendrin. Geschwurbel to go quasi ^^
Aber nochmal Scherz beiseite, ich frag mich, wie diese Leute außerhalb des Internets reden? "Möge Thors Blitz dich für dein Falschparken strafen, du Neiding!" Oder wie will man so bei einem Vorstellungsgespräch überzeugen? Dem Chef sagen: "Der allgewaltige Odin führt meinen Schwertarm. Ha! Wir werden siegreich sein, oder von seinen Walküren nach Walhall geleitet werden!" Kommt sicher gut, wenn man sich als Buchhalter oder ähnliches vorstellt.
Oft sind die mit dem größten Bombast sowieso diejenigen mit der wenigsten Ahnung, aber das nur am Rande.
Wie schauts denn bei euch aus? Stört euch sowas? Oder ist euch das relativ egal? Habt ihr mit solchen Leuten auch schon Erfahrungen gemacht - oder seid ihr gar selbst solche Schwurbler (nun denn, fasset euch ein Herz und berichtet ^^)? Auch wenn ihr der Meinung seid, dass die alte Urs in dem Fall nur wieder etwas mufflig ist und keinen Sinn dafür hat, könnt ihrs gern hier loswerden.
Ich bin schon ganz gespannt :-)
Fröhliche Feierabendgrüße,
Urs
Dienstag, 13. Oktober 2009
Gar schwülstig Geschwafel
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Ich musste bei deinem Post jetzt echt lachen. In Heidenkreisen habe ich sowas noch nicht erlebt. Jedenfalls ist es nicht die Regel. Da sind vielleicht die Keltoi anders als die Asatru.
AntwortenLöschenAber diesen pseudo-mittelalterlichen Marktsprech finde ich auch zum speien. Besonders das beliebte Wort *Handgeklapper* reizt mich zu Massenmorden. Natürlich kann man in abgeschwächter Form ein wenig auf mittelalterlich machen. Seid gegrüßt geht gerade noch. Aber *Afterballen* statt Gesäß, da sträuben sie mir die Haare.
*lol* ja stimmt - du Arme sitzt da ja quasi an der Quelle.
AntwortenLöschenIch bin ja ernsthaft der Meinung, damals (sucht euch ne beliebige Epoche aus) hatten nur die wenigsten Leute die Zeit, um sich so dermaßen einen abzuschwulsten. Der Rest war anderweitig beschäftigt - mit so Nebensächlichkeiten wie Überlebenskampf und so ;-)
Nee, wie gesagt, in gewissen Maßen ist ein wenig Mittelalter ja auch ganz nett und eine schöne Abwechslung zu dem, was man so täglich auf der Straße zu hören kriegt.
Und ja, scheinbar ist es bei uns Asatruarn wirklich extremer als anderswo *sfz*. Woran auch immer das liegen mag...
Hach, Sue! Du sprichst mir aus der Seele! :-D
AntwortenLöschenIch finde diesen bekackten Marktsprech einfach zum Kotzen und hätte wohl in meinen früheren Leben jedem, der mich ungefragt von der Seite mit einem "Seid gegrüßt, edler Recke!" anlabert, ein paar Zähne ausgeschlagen, um dann ungerührt weiterzugehen.
Manchmal glaube ich, dass dieser Mist eine Erfindung von Besoffenen in einem Marktlager war, die sich jetzt einen Heidenspaß draus machen, dass jeder Spacken meint, auf Märkten so reden zu müssen.
Heidensprech habe ich bislang nicht so oft mitbekommen - aber wenn, dann frage ich mich auch, ob es ein fehlgeleiteter Rollenspieler ist.
Der Schwurbelgenerator ist eine sehr feine Idee. Wenn ich prgrammieren könnte, würde ich mich heute daransetzen. ;)
Ich mag das Gelaber auch nicht -.- und bekomme jedes Mal einen Fön.
AntwortenLöschenSchrecklich dieses Marktsprech!
Ash hat da schon Recht - früher hätte so ein Schwafler wahrscheinlich schneller sein holdes Lebenlein ausgehaucht wie wenn er: Seid gegrüsset sagen kann
Also.....Ich fand den Marktsprech immer lustig.....liegt vielleicht daran das ich RPGler bin.
AntwortenLöschenAber ich begreife schon auf was Sue hinaus will, gewisse Dialoge entbehren nicht einer gewissen unfreiwilligen Komik, gerade eben weil sie mehr nach Marktsprech klingen als nach einem vernünftigen Satz. Naja, gewisse brauchen das halt, da dies auch eine gewisse Form der Weltflucht ist.
Im normalen Sprachgebrauch sag ich tatsächlich statt "Oh Gott" "Oh ihr Götter" oder verkapselt öfter mal (sehr zum Leidwesen anderer ;) "Fucking YeHeShUah Kristos" *g* oder "Nuit schmeiss Hirn vom Himmel".
AntwortenLöschenAber die geschilderten Sprüche hebe ich mir lieber für den nächsten Con auf, da kann ich den Sir verstehen. Und dann lieber wie "Du solltest Khorne statt Met trinken" (rallt wieder keiner) oder andere Sachen. Wobei zB 4 Tage lang Spieler zu terrorisieren als Inquisitor des Balor (der ist soooo lichti das er richtig Faschostyle ist, Bereue deine Sünden! *g*) ist auch toll. Da verschwimmen die Grenzen ;)
Fürs normale Leben aber lass ichs. Was bringt es dem Mann vom Ordnungsamt beim Ticket schreiben hinterherzurufen "Möge dein Leib von Seth zerrissen werden!". Dafür fluche ich zu wenig.
In meiner Umgebung spricht niemand so schwulstig und ich glaube, ich würde in lautes Gelächter ausbrechen.
AntwortenLöschenAuf Mittelaltermärkten geört das schon irgendwie dazu...so wie bei einem Theaterstück. Im normalen Leben hat das meiner meinung nach nichts zu suchen. Es ist künstlich und aufgesetzt.
Liebe Grüße Elisha
Ich war (leider leider) erst ein einziges Mal auf einem Mittelaltermarkt, und der war nicht nur umwerfend schön, sondern auch umwerfend normal. Alle haben ganz normal gegrüßt und geredet, sonst hätte ich mich auch höchst unwohl gefühlt. Ich glaube auch, nur ein paar angeblich altertümliche Begriffe ins Deutsch des 21. Jahrhunderts einfließen zu lassen ist billig - entweder Althochdeutsch komplett oder gar nicht. Komplett würde man aber wieder gar nicht verstehen. :)
AntwortenLöschenWie efka denke und sage ich aber eher "Götter!" als "Oh Gott!" - das ist aber nicht altertümelnd gemeint sondern Weltsichtsache.
Vor allem weil dieses Marktsprech auch Quatsch ist. Mittelhochdeutsch zB des 13. Jahrhunderts ist ja ne "andere" Sprache die kaum einer heute verstehen würde. Siehe der Anfang des Nibelungenliedes oder Walter von der Vogelweide als Beispiel des HoMi. Und wenns dann richtig trve sein soll müssten die Leute sich dann ja zB an dem Angelsächsisch des Beowulf orientieren, das verstehen dann noch weniger.
AntwortenLöschenWohl an, all ihr des lesens kundige, wir Urkas, genannt der Scriptor, haben uns wohl in den magischen welten verirrt undt sind nun höchstselbigst hier gestrandet. So möget ihr uns verzeihen...
AntwortenLöschenok. ich hör ja schon auf :)
Ihr habt alle Recht, das hat wirklich nichts mit dem Mittelalter zu tun. Aber wie ihr schon erwähnt habt, Mittel- oder Althochdeutsch wird wohl kaum jemand verstehen. So sind die Aktiven einer solchen Veranstaltung dennoch bemüht, dem Publikum eine Andersartigkeit zu präsentieren, die allerdings mehr oder weniger glaubhaft rüberkommen mag. Manche Veranstalter fordern dieses aber von den Aktiven, so z. B. das Lutherdeutsch (wer beherrscht das schon?). Der Afterballen usw. sind allerdings Wortschöpfungen, die einem abends am Lagerfeuer einfallen und über die die Aktiven selbst sich amüsieren.