Dienstag, 10. März 2009

Asatru, was ist das eigentlich?

Gute Frage, lieber Leser!

Man könnte das Wort grob mit "Asenglauben" übersetzen. In unserer heutigenInformationsgesellschaft wäre es ein Leichtes, euch einen Wikipedialink vorzusetzen oder euch zu Tante Google weiterzuschicken, damit ihr es euch selbst raussucht. Aber so leicht ist das nicht. Bei weitem nicht. Asatru ist eine sehr individuelle Angelegenheit - und wenn ihr möchtet, kann ich euch mit MEINEM Asatru bekannt machen :)

Sicher wisst ihr, dass die Asen die Götter des alten nordisch-germanischen Pantheons sind. Odin und Thor sind ja den meisten ein Begriff, vielleicht kennt ihr auch Freya, Frigg und einige haben sicher auch schon was von Skadi gehört. Tatsächlich ist unser Pantheon riesig - neben den Hauptgöttern gibt es noch viele Nebengötter und unzählige lokale Gottheiten. Was andere Götter angeht, haben die bei mir genauso ihre Berechtigung und Göttlichkeit wie meine eigenen.

Eine heilige Schrift oder sonstiges gibt es im Asatru nicht, wir haben die Edda, die für mich persönlich ein sehr weises Buch ist - aber weit davon entfernt, das Wort der Götter oder ähnliches zu sein. Das Havamal beispielsweise enthält sehr kluge Verhaltensregeln und Lebensweisheiten, die bis heute ihre Gültigkeit bewahrt haben - natürlich in adaptierter Form. Einige Gruppierungen sind der Auffassung, dass man sich strikt an die Edda zu halten habe, was ich allerdings nicht für gut halte. Religion muss sich meiner Meinung nach weiterentwickeln können, um (er-)lebbar zu sein.

Meine persönliche Ausrichtung ist der Odinismus, was leider immer so ein bisschen klischeehaften Beigeschmack hat. Odin ist der höchste Gott und hat eine Vielzahl von heiti (Beinamen),die alle einen Aspekt von ihm repräsentieren. Für mich hat er als Kriegsgott, aber auch als Gott der Magie und Inspiration/Ekstase eine besondere Bedeutung. Natürlich sind mir auch alle anderen Götter und Göttinen wichtig. Besonders zu erwähnen sind Frigg, die Göttin der Ehe, und der Haushaltsbelange und Freya, die Göttin der Liebe - die aber gleichzeitig auch Anführerin der Walküren ist. Man vermutet, dass beide Göttinnen in Wirklichkeit eins sind. Wie auch immer, auf jeden Fall, ist dies mein Frauenideal, dem ich entsprechen möchte: Eine Mutter, die ihre Pflichen mit Hingabe erfüllt - aber nicht nur Heimchen am Herd ist, sanft - aber nichtsdestotrotz stark und kriegerisch, wenns sein muss.

Oft werde ich etwas komisch angeguckt, weil viele sich nicht vorstellen können, dass man Asatru gut in einer Großstadt praktizieren kann. Ich sage: man kann. In meiner Vorstellung sind die Götter genauso in einer Stadt zuhause wie in der freien Natur. Ich möchte sogar soweit gehen und sagen, dass eine Stadt ihre ganz eigenen Energien hat. Wenn man aufmerksam durch die Stadt tigert, kann man die Anwesenheit der Götter oftmals förmlich fühlen, besonders nachts. Ich finde es immer komisch, wenn Leute behaupten, wer täglich Bäume kuschelt, wäre spiritueller ^^

Wer jetzt in meiner Glaubensausübung große Sensationen wie Nackttänze bei Vollmond oder "schwarze" Runenzauber mit viel Tierblut erwartet, den muss ich enttäuschen und nahelegen, weiterhin die Sensationsberichte in der Bild zu lesen. Ich selbst stehe mit beiden Beinen fest im Leben, auch wenn sich ein ansehnlicher Teil davon um meine Religion dreht. Wissenerwerb ist mir sehr wichtig, wobei sich das in einem sehr weitgefächerten Rahmen bewegt. Kreative Betätigung mit religiöser Thematik ist mir auch sehr wichtig.

Was mir persönlich sehr am Herzen liegt, ist Toleranz und Dialog mit anderen Religionen, Weltanschauungen, ect. und mir blutet das Herz, wenn ich sehe, welche Ideologien und welcher Hass unter dem Deckmäntelchen "Asatru" und/oder "germanischem Heidentum" verbreitet werden. Ich kann nur immer wieder betonen: das ist nicht Asatru. Nie hat unser Glaube andere wegen ihrer Herkunft oder ihrer Religion diffamiert oder umgebracht. Im Gegenteil. Sind unsere Götter doch auch zu einem Großteil "gemischter" Herkunft: Asen, Vanen, Riesen und deren Nachkommen. Die Edda selbst gibt viele Belege dafür, dass sich fröhlich untereinander gepaart wurde.

Auch die Geschichte zeigt, dass die germanischen Stämme äußerst tolerant waren:
In Wikingersiedlungen fand man Münzen und andere Gegenstände aus der ganzen Welt. Sogar eine Buddha-Statue wurde an einem Handelsplatz gefunden. Sieht nicht wirklich nach Xenophobie aus, oder?

Germanen und Wikinger kämpften oftmals als Söldner in fremden Ländern und führten dort ein ganz normales Leben und heirateten. Hätten sie das getan, wenn sie so auf Blut und Boden fixiert gewesen wären?

In Wikingersiedlungen fand man Gussformen, aus denen man sowohl Kreuze als auch Thorshämmer fertigen konnte. Auch ließen sich viele heidnische Wikinger primtaufen, um besser mit Christen Handel treiben zu können. Asatruar als notorische Christenhasser? Sieht nicht wirklich danach aus, oder?

Ich denke, das sollte als Beispiel reichen und hoffe, euch einen kleinen Einblick in meine Glaubenswelt geboten und einige Missverständnisse ausgeräumt habe. Für Fragen, Kritik und ähnliches stehe ich natürlich gern zur Verfügung.

Statt salbungsvoller Schlussworte schließe ich mit einem Eddazitat - zwar nicht wirklich passend an dieser Stelle, aber es trifft meine Vorstellung von Asatru-Lebensgefühl sehr gut.

"Schweigsam und vorsichtig sei des Fürsten Sohn
Und kühn im Kampf.
Heiter und wohlgemut erweise sich jeder
Bis z.um Todestag."

Das mit dem schweigsam lern ich auch noch irgendwann ;-)

Alles Liebe,

Urs

3 Kommentare:

  1. Ich bin begeistert... war ein lesegenuss ..und ich gehe weitgehend konform mit dir.

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  2. Danke für die ausführliche Beschreibung. Mit Interesse gelesen.
    Lieben Gruß
    Lidania

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  3. Eine wunderbare Einführung ins Asatru, eine sehr gelungene Darstellung. Mir gefällt Deine Einstellung.
    Michael

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